Mehlschwalben bauen ihre Nester gewöhnlich an Felswänden oder unter die Dachüberhänge höherer Gebäude wie Türme oder Scheunen. Zum Nestbau benötigen sie nahe gelegene, lehmige Pfützen. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Insekten wie Fliegen, Mücken oder Blattläusen, die normalerweise in größerer Zahl auftreten und damit auch mal zur Plage werden können. Von Naturschützern wird die Anwesenheit von Schwalben als wichtiger Indikator für die Gesundheit unserer Umwelt eingestuft, da sie nur dort siedeln und überleben können, wo genügend Nahrung und sauberes Wasser verfügbar sind.
Der intensiven Landwirtschaft, mangelnder Akzeptanz sowie dem menschengemachten Klimawandel ist es allerdings geschuldet, dass die Zahl der Brutpaare von Jahr zu Jahr abnimmt. Nester werden mutwillig zerstört oder der Nestbau durch Vergrämungsmaßnahmen verhindert, Pfützen fallen Baumaßnahmen zum Opfer, moderne Architektur sieht keine großen Dachüberhänge mehr vor. Zudem ist der Insektenbestand binnen von nicht einmal 30 Jahren um dramatische 75 Prozent gesunken. Die Mehlschwalben wurden daher inzwischen auf die „Rote Liste gefährdeter Arten“ gesetzt.
Auch in Freienhagen schwinden die Nistmöglichkeiten für Mehlschwalben. Mitglieder der Gruppe „Biodiversität“ des Vereins „Landfluchtwende e.V.“ haben im Jahr 2020 in Zusammenarbeit mit dem Ortsbeirat ein Schwalbenhaus nahe des Malisenhofes aufgestellt, um den Schwalben eine Alternative zu bieten. Der Platz erschien als besonders geeignet, da in der Nähe keine hohen Bäume stehen, die Fressfeinden als Ansitz dienen könnten. Auf dem Hof sind außerdem noch einige Pfützen und sogar ein Misthaufen sowie Insektenbruten zu finden. Pfützen und Misthaufen dienen sowohl Mehlschwalben als auch den im Stallinneren nistenden Rauchschwalben sozusagen als Baustofflager.
Zunächst verschmähten die aus den Überwinterungsgebieten zurückgekehrten Schwalben das Angebot. In den folgenden zwei Jahren war deshalb leider kein Bruterfolg zu verzeichnen. Die Tiere sind Koloniebrüter und lassen sich naturgemäß am liebsten dort nieder, wo bereits Artgenossen nisten. Aus diesem Grund beschaffte der Verein 2022 eine sogenannte Klangattrappe, die den Bettelruf junger Mehlschwalben imitiert und so die Rückkehrer anlocken soll. Zusätzlich wurden einige neue, bezugsfertige Kunstnester angebracht, um das Schwalbenhaus noch attraktiver zu gestalten.
Der Erfolg stellte sich schnell ein. Bereits im folgenden Jahr gab es erste Bruten. Ein weiteres Jahr später waren bereits fünf Nester besetzt, drei der Schwalbenpaare zogen sogar eine zweite Brut auf. Vor wenigen Wochen hat die Gruppe ein zweites Schwalbenhaus, das bereits seit einigen Jahren an anderer Stelle steht und bisher nicht besiedelt wurde, mit Hilfe der Klangattrappe und einiger künstlicher Nester entsprechend ertüchtigt.
Bei aller Freude über den Erfolg der Bemühungen darf nicht vergessen werden, warum die Schwalben fernbleiben und der Bestand gefährdet ist. Wie zuvor beschrieben, brauchen Schwalben lehmige Pfützen, bauliche Voraussetzungen für ihre Nester und vor allem Insekten als Nahrung. Die fehlenden Nistoptionen lassen sich durch Schwalbenhäuser sicher leicht ersetzen, auch Pfützen lassen sich mit etwas gutem Willen hier und da anlegen. Problematischer wird es schon bei der Versorgung mit ausreichend Nahrung in Form von Insekten. Es gilt, Reproduktionsflächen und Lebensräume für Insekten zu schaffen. Insekten sind die unverzichtbare Basis unserer Ökosysteme. Sie dienen als Bestäuber für alles Obst und Gemüse weltweit und damit für etwa 35 Prozent unserer Ernährung. Sie sind Abfallverwerter und wichtige Nahrungsgrundlage für übergeordnete Tiere. So lange wir nicht bereit sind, die ökologischen Rahmenbedingungen entsprechend zu ändern, ist das Aufstellen von Schwalbenhäusern oder auch Insektenhotels nur wenig zielführender Aktionismus, der aber an den Grundproblemen nichts ändert. Und hier schließt sich der Kreis: brütende Schwalben sind ein Indikator für eine intakte Umwelt, ihr Ausbleiben und Aussterben ist dagegen ein deutliches Indiz für den Niedergang unserer Ökosysteme.
Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein für die Wirkungskette von Insektensterben zu Artenverlusten zu andererseits Ernteausfällen und letzten Endes zu unserer eigenen Gesundheit. Eine intakte Natur ist nicht ausschließlich schön anzusehen, sie ist unser aller (Über-)Lebensgrundlage. Jeder Gartenbesitzer oder Landwirt in Freienhagen, insbesondere aber auch die Stadtverwaltung sollte Gärten, kommunale Flächen sowie Wegraine in diesem Bewusstsein insektenfreundlich gestalten, entwickeln und erhalten. Dazu gehört die Pflanzung einheimischer Stauden, Sträucher und Bäume, die insgesamt ein von Frühjahr bis Herbst möglichst durchgehendes Blütenangebot sichern. Wilde Ecken, Totholz, Steinhaufen und kleine Wasserstellen unterstützen zusätzlich die Artenvielfalt. Blühwiesen sollten nur abschnittweise gemäht und das Schnittgut entfernt werden. Für die insektenfreundliche Pflege städtischer Grünflächen und Wegraine ist ein konsequent umgesetztes Mähkonzept unter Berücksichtigung von Mähtechnik, Mähzeitpunkt, Mähintervall und abschnittweisem Mähen unverzichtbar. Jeder einzeln aber auch alle gemeinsam sind wir in der Pflicht, etwas zu tun. Die gute Nachricht ist: Wir KÖNNEN auch etwas tun!
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